
Im Archiv der böhmischen Brüdergemeine in Berlin-Neukölln liegen alte, in Kurrent-Handschrift verfassten Schriften der Gemeindemitglieder, die aus der Zeit zwischen 1740 und 1830 stammen. Ein Team von Linguistik-Expert*innen, geleitet von Prof. Roland Meyer, digitalisiert und erforscht die handschriftlichen Notizen zusammen mit Informatiker*innen vom Berliner Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. Das Projekt wurde von der VolkswagenStiftung gefördert.
Der Sprachwandel in den Schriften zeugt von vielen Interaktionen mit der deutschsprachigen Kultur.
„Verben und Pronomina wechseln ihre Position, die Namensschreibweise wird dem Deutschen angepasst, Lehnwörter aus dem Deutschen treten auf“, sagt Roland Meyer.
Die Untersuchung der Schriften und die linguistische Analyse des Sprachwandels zeugt zugleich von einem Beispiel für eine gelungene Integration einer fremdsprachigen Glaubensgemeinschaft.
In der neuen Ausgabe der Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin können Sie einen ausführlichen Artikel zu diesem Thema lesen.
Zwei Jahre haben sie an der Übersetzung von Olga Tokarczuks Roman Die Jakobsbücher gearbeitet. Sie kamen mit Rucksäcken voller Bücher, auf die sie bei ihren Recherchen zum Buch gestoßen sind. Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein, zwei berühmte Übersetzer aus dem Polnischen, sprachen im Rahmen des Übersetzungsseminars für Polnisch am Instituts für Slawistik und Hungarologie der Humboldt-Universität zu Berlin über ihre Arbeit. Das Übersetzungsseminar wird seit Jahren von Dr. Hanna Burkhardt geleitet, die einst auch Lisa Palmes für das Polnische begeisterte. Es war also auch eine „Back-To-The-Roots-Begegnung“.
Wir erfuhren, dass es zuerst nicht einfach war, einen Verlag für das sperrige und voluminöse Buch von Olga Tokarczuk zu begeistern. Dass die deutsche Übersetzung fast zeitgleich mit dem Nobelpreis für Literatur, der 2019 an Olga Tokarcuk (zusammen mit Peter Handke) ging, war ein Glücksfall.

Die Geschichte von Jakob Frank, den umstrittenen „Luther der Juden“, ist die Geschichte von einer Kultur, die es nicht mehr gibt. Sie ist ein Ritt durch drei Religionen mit wechselnden Perspektiven. Gerade das Jüdische wurde an vielen Orten, auf denen sich die Helden der Geschichte befinden, komplett ausgelöscht. Und trotzdem, finden die Übersetzer, ist es ein ganz gegenwärtiges Buch, da es vom Zusammenleben mehrerer Religionen und Kulturen zeugt und ganz aktuelle Fragen aufwirft.

Im Gespräch mit Prof. Roland Meyer berichteten beider Übersetzer, auf welche Reisen sie sich begeben mussten, um Ereignisse, die Tokarczuk beschreibt, zu verstehen und sprachlich verarbeiten können. Franks Reise durch Mitteleuropa ist in der deutschen Übersetzung auch eine sprachliche Reise. Unsere Gäste erklärten, warum bei einer der Hauptfiguren eine doppelte Schreibweise des Namens vorkommt (Eva kontra Ewa) oder warum aus Treppenhaus mal Stiege geworden ist. Die Übersetzung entstand in einem inspirativen Dialog zwischen den beiden. Ihre spannende Zusammenarbeit haben sie im Rahmen von TOLEDO – Übersetzer im Austausch der Kulturen, einem Programm des Deutschen Übersetzerfonds gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, als Journal aufgezeichnet:
Im Gespräch mit Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein sind viele Ideen zu weiteren Projekten entstanden – in unserem Blog halten wir Sie auf dem Laufenden.
Institut für Slawistik und Hungarologie
Fachgebiet Westslawische Sprachen
lädt ein:
Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein:
Praxis des Tandemübersetzens
Montag, den 20.01.2019, 14:15 – 15:45 Uhr
Universitätsgebäude am Hegelplatz, Dorotheenstraße 24
Raum 1.604
Vortrag und Gespräch mit den Übersetzern von Olga Tokarczuks Roman Die Jakobsbücher
In deutscher Sprache
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!
https://www.perlentaucher.de/buch/olga-tokarczuk/die-jakobsbuecher.html
Die Wiedereröffnung des Archivs im Böhmischen Dorf am 6. September 2019 war ein wichtiges Ereignis nicht nur für die Nachkommen tschechischer Religionsflüchtlinge in Rixdorf, sondern auch für Akteur*innen auf Bezirks- und Landesebene. Der Stadtrat des Bezirks Neukölln Jochen Biedermann (B’90/Die Grünen) hielt ein Grußwort und erklärte, wie er aus der Perspektive des Bezirksamtes den Umzug des Archivs unterstützte und begleitete.

Die Referentin für Ost- und Mitteleuropa sowie internationale Organisationen der Senatskanzlei der Stadt Berlin Ulrike Kind stellte die Bedeutung Rixdorfs für das Land Berlin dar, die eng mit der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Prag zusammenhängt.

Die Partnerschaft war auch der Grundstein für das wissenschaftliche Projekt unseres Fachgebiets zu den Rixdorfer Handschriften, worüber Prof. Dr. Roland Meyer bei der feierlichen Veranstaltung berichtet hat.

Mehr zum Projekt hier.
Ebenfalls die Vertreter der Brüdergemeine und der Archivar Stefan Butt erzählten über den langen Weg des Archivs von einer Sammlung historischer Artefakten zu einem geordneten und würdigen Archiv mit Arbeitsplätzen für Interessierte.

Das Archiv im Böhmischen Dorf verfügt über handgeschriebene und gedruckte Zeugnisse über das Leben tschechischer Protestant*innen in und bei Berlin seit dem 18. Jahrhundert bis heute. Seit September 2019 befindet sich das Archiv offiziell in einem der wenigen Häuser in Rixdorf, die auf die Zeit des Exils zurückgehen. Das Museum und das Archiv im Böhmischen Dorf befinden sich nun unter einer Adresse: Kirchgasse 5, 12043 Berlin.
Mehr Infos über das Archiv: www.boehmischesdorf.de
Ferdinand! Gastspiel des Prager Theaters Lachende Bestien
Dienstag, 1.10.2019, 19:30 Uhr
Tschechisches Zentrum Berlin, Wilhelmstraße 44 / Eingang Mohrenstraße, 10117 Berlin
Eintritt frei

Die kritische Auseinandersetzung mit den politischen Ideen Václav Havels und der Welt seiner Theaterstücke bilden die Grundlage für diese Inszenierung des jungen, progressiven Ensembles Lachende Bestien aus Prag. Wie würde Ferdinand Vaněk, Havels Alter Ego aus seinen Theaterstücken, heute agieren? Wie kann man in der heutigen Zeit, in der öffentlicher Protest jederzeit möglich ist, jedoch allzu oft ohne Folgen verhallt, „in der Wahrheit leben“?
In der Form eines performativen Monologs behandelt die Inszenierung Themen wie die Rolle der Intellektuellen in der Öffentlichkeit, das Erbe des Postkommunismus oder die Spaltung der Gesellschaft und hinterfragt die Möglichkeiten des politischen Gegenwartstheaters. Die Live-Band auf der Bühne begleitet die Vorstellung Michal Hábas mit eigenen Kompositionen und bekannten Schlagern.
Auf Tschechisch mit deutschen Übertiteln
Begrüßung, S.E. Tomáš Jan Podivínský, Botschafter der Tschechischen Republik in Berlin
Es spielen: Michal Hába und die Band KONZUM KOKAIN KAPITALISMUS (Jindřich Čížek, Vlado Mikláš und Mišo Škoda)
Text und Regie: Michal Hába, Bühne: Adriana Černá, Dramaturgie: Simona Petrů, Musik: Jindřich Čížek
Im Anschluss Publikumsgespräch mit dem Regisseur Michal Hába und der Bohemistin Anna Förster, Moderation Barbora Schnelle
Eine Veranstaltung der Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin, des Tschechisches Zentrums Berlin, der Theatergruppe Lachende Bestien z.s. und des Vereins Drama Panorama e. V. zum 30. Jubiläum der Samtenen Revolution
Produktionsleitung: Barbora Schnelle (Drama Panorama) und Hana Svobodová (Lachende Bestien)
Mit freundlicher Unterstützung von: Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds, Kulturministerium der Tschechischen Republik, Der Regierende Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei, Außenministerium der Tschechischen Republik
Weitere Informationen: drama-panorama.com, tzberlin.de, lachendebestien.eu
